Die diesjährige AWS re:Invent hat deutlich gezeigt, dass der Cloudanbieter seine Rolle in der IT-Landschaft neu definiert. So richtet AWS seinen Fokus zunehmend auf die Modernisierung von Altsystemen aus, wobei Renovation und schrittweise Erneuerung bestehender Kernanwendungen im Mittelpunkt stehen.
Bereits am Freitag (5.12.) hatten wir über eine enstprechende Kooperation zwischen Precisely und AWS berichtet, die eine nahezu Echtzeitreplikation von Mainframe-Daten in mehrere AWS-Dienste ermöglichen soll. Die während der re:Invent sichtbar gewordene Schwerpunktsetzung ordnet diese Ankündigung in eine umfassendere Modernisierungsstrategie ein.
Gleichzeitig erweitert AWS laut einem Bericht von inside-it.ch das eigene Modernisierungsportfolio deutlich. Die bisherige Lösungslinie „AWS Transform“ war speziell auf ausgewählte Technologien wie Mainframe-Anwendungen oder VMware-Umgebungen ausgerichtet. Dabei kamen agentische KI-Verfahren zum Einsatz, die Konfigurationen auslesen, Quellcode analysieren und Schnittstellen identifizieren sollten, um daraus automatisch modernisierten Cloud-Code zu generieren. Nun habe AWS diese Technologie erheblich ausgebaut: Mit der neuen Lösung „AWS Transform Custom“ wolle der Anbieter eine großflächige Modernisierung beliebiger Legacy-Umgebungen ermöglichen – unabhängig von Programmiersprache, Framework, Bibliothek oder Hersteller. Selbst Eigenentwicklungen in firmenspezifischen Sprachen sollen laut AWS automatisiert transformiert werden können.
AWS akzeptiert eigenes „Legacy-Erbe“
Diese technische Weiterentwicklung passt zu der strategischen Richtung, die AWS-CEO Matt Garman in seiner Keynote betont hat. Wie The Cube Research berichtet, stellte Garman klar, dass KI keine Zusatzfunktion sei, sondern eine Weiterentwicklung der Cloud selbst. AWS müsse deshalb Wege finden, die massiven Investitionen seiner Bestandskunden zu schützen und gleichzeitig Innovation voranzutreiben. Unternehmen könnten moderne KI-Modelle und Agentensysteme nur dann sinnvoll nutzen, wenn diese Technologien direkten Zugriff auf bestehende Datenlandschaften und Anwendungskontexte erhalten. Garman machte deutlich, dass AWS bei seiner KI-Strategie zugleich das eigene Legacy-Erbe berücksichtigen müsse, das über fast zwei Jahrzehnte Cloudbetrieb entstanden ist.

AWS CEO Matt Garman auf der re:Invent 2025 in Las Vegas (Foto: AWS / Copyright: Noah Berger)
Zu dieser Ausrichtung passen auch die technischen Ankündigungen der Woche: neue GPU- und Trainium-Cluster, dedizierte AI Factories für besonders sensible oder hoheitliche Anwendungen sowie eine breite Palette neuer Modellvarianten und agentischer Werkzeuge. AWS betone jedoch, dass diese Innovationen erst dann ihr Potenzial entfalten, wenn Unternehmen ihre bestehenden Systeme schrittweise öffnen könnten – ohne disruptive Migrationspfade oder Risiken im operativen Betrieb.
Der verstärkte Schwerpunkt auf Renovation statt Replacement erscheint vor diesem Hintergrund konsequent. Wie inside-it.ch berichtet, sieht AWS die echten Wachstumschancen darin, Unternehmen zu ermöglichen, ihre Kernsysteme risikominimiert weiterzuentwickeln. Moderne Werkzeuge wie die Precisely-Integration oder AWS Transform Custom dienen dabei als Brücke zwischen Altsystemen und KI-Cloud-Architekturen.
Für Banken und Versicherer, deren Wertschöpfung häufig zentral auf Mainframes, Hostsystemen und gewachsenen Applikationslandschaften beruht, bedeutet die re:Invent eine klare Botschaft: Die großen Cloudanbieter setzen zunehmend auf Modernisierung durch Integration, nicht durch Ablösung. KI-Plattformen und Modernisierungstools sollen künftig über hybride Architekturen hinweg funktionieren – und damit die jahrzehntelang bewährten Kernsysteme weiter nutzbar machen, während Innovationen in der Cloud stattfinden. (td)


