Legacy IT in der Finanzwirtschaft – ein Überblick

Zusammenfassung des Fachbeitrags „Die Bank-IT: Digitale Evolution – Eine Retroperspektive“ von Werner Dorschel, erschienen im Praxishandbuch Digital Banking

Die Bank-IT steht heute vor einer digitalen Transformation, die vor allem die Herausforderungen und die lange Historie der sogenannten Legacy-Systeme sichtbar macht. Seit den 1960er Jahren, als die Digitalisierung mit der Ablösung von Lochkarten durch Magnetbänder und Festplattenspeicher begann, hat sich die Bank-IT durch diverse Phasen der technologischen Entwicklung bewegt. Die Industrialisierung der Finanzprozesse nahm damals ihren Anfang und führte zu Strukturen, die bis heute die Bankenwelt prägen und ihr gleichzeitig Fesseln anlegen. Diese digitalen Altlasten beeinflussen das Veränderungstempo erheblich.

Die digitale Transformation in der Bank-IT zeigt, wie sich die Anforderungen der Branche gewandelt haben. Was ursprünglich als Übergang von analogen zu digitalen Prozessen begann, hat sich mittlerweile zu einer disruptiven Revolution ausgeweitet, die neue Geschäftsmodelle und eine nie dagewesene Kundenorientierung in den Vordergrund stellt. Die Erwartungen der Kunden haben sich in den letzten Jahrzehnten radikal verändert: Sie erwarten heute einen einfachen, schnellen und digitalen Zugang zu Bankdienstleistungen. In der Folge stehen die Banken unter Druck, eine digitale Infrastruktur zu schaffen, die diesen Ansprüchen gerecht wird – und das trotz der tief verwurzelten, veralteten Systeme, die über Jahre hinweg gewachsen sind.

Doch während die Digitalisierung an der Oberfläche oft auf mobile Anwendungen und internetbasierte Services reduziert wird, zeigt sich in der Tiefe der Bank-IT ein anderes Bild. Die bestehenden IT-Strukturen der Banken, insbesondere die sogenannten Core-Banking-Systeme, beruhen oft auf Technologien der 1970er Jahre. Diese Alt-Systeme prägen noch immer die Kernprozesse für Kontoführung, Zahlungsverkehr und Backoffice-Abwicklung. Ihre Erneuerung gestaltet sich als überaus komplex und kostspielig, sodass viele Banken vor der Entscheidung stehen, ob sie eine umfassende Modernisierung angehen oder lediglich bestehende Systeme weiter pflegen sollen. Dabei sorgen nicht nur technologische Hürden für Schwierigkeiten, sondern auch die enormen finanziellen Mittel, die für eine erfolgreiche Transformation erforderlich sind.

Ein System/360 zur elektronischen Datenverarbeitung im VW-Werk Wolfsburg im Jahr 1973 (Bildquelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-F038812-0014 / Schaack, Lothar / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de)

Ein wiederkehrendes Problem der Banken-IT ist die Qualität und Stabilität der IT-Systeme. Banken agieren in einem Umfeld, das auf absolute Zuverlässigkeit angewiesen ist, doch häufig treten Pannen und Fehler auf, die zeigen, wie störanfällig und veraltet manche Systeme sind. Vor allem Vorfälle wie die versehentliche Überweisung von Millionenbeträgen – wie im Fall der KfW – machen deutlich, dass ohne eine grundlegende Modernisierung der Systeme das Risiko gravierender Fehler bleibt. Solche Vorfälle führen dazu, dass Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit die Sicherheitsstandards und Zuverlässigkeit der Bank-IT zunehmend in Frage stellen.

Die Geschichte der Bank-IT lässt sich anhand einiger zentraler Entwicklungen verstehen. So ist zum Beispiel der Mainframe von IBM seit den 1960er Jahren das Herzstück vieler Bankrechenzentren. Die Hardware- und Software-Architekturen der IBM haben mit ihren Mainframe-Systemen eine Stabilität und Abwärtskompatibilität geschaffen, die Banken zu schätzen wissen, aber die auch ein großes Beharrungsvermögen mit sich bringt. Der Mainframe hat sich als extrem verlässlich erwiesen und hat trotz der Einführung von Unix-basierten Servern und dezentralen Lösungen eine marktbeherrschende Stellung beibehalten. Diese Strukturen, die sich über Jahrzehnte hinweg entwickelt haben, sorgen dafür, dass viele Banken bis heute auf eine hoch zentralisierte Rechenzentrumsarchitektur setzen. Dennoch bleibt der Mainframe aus Sicht der Bank-IT ein Kernproblem, da er Flexibilität und Innovationskraft hemmt, wenn es um digitale Transformation geht.

IBM System z9 Typ 2094, mit geöffneten Fronttüren und ausgeklapptem Support Element (Bildquelle: Ing. Richard Hilber)

Ein Blick auf die Bankfilialen zeigt ein weiteres, komplexes Bild. Filialen waren lange der zentrale Ort für Kundenkontakt und Beratung, doch die fortschreitende Digitalisierung und der Trend zu Online- und Mobile-Banking verändern die Rolle der Filialen fundamental. Selbstbedienungsterminals und andere SB-Geräte haben zwar viele Prozesse automatisiert, doch die IT-Infrastruktur der Filialen bleibt in weiten Teilen fragmentiert und auf spezifische Geräte und Systeme zugeschnitten. Eine übergreifende Omni-Channel-Lösung, die eine einheitliche Kundenerfahrung auf allen Kanälen ermöglicht, bleibt für viele Banken noch Zukunftsmusik.

Auch das Thema Autorisierung und Sicherheit in der Bank-IT gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Einführung neuer regulatorischer Anforderungen, wie beispielsweise die PSD2-Richtlinie, zwingt Banken dazu, auf moderne Sicherheitsstandards zu setzen und die Zwei-Faktor-Authentifizierung zu implementieren. Dies ist jedoch nicht immer einfach, da bestehende Strukturen häufig nicht für die schnelle Integration neuer Sicherheitsprotokolle ausgelegt sind. So bleiben viele Sicherheitselemente noch immer spezifisch für einzelne Anwendungen und Kanäle isoliert, was es schwer macht, eine durchgängige Sicherheit im gesamten System zu gewährleisten.

Die Zukunft der Bank-IT liegt in der Fähigkeit, das Spannungsfeld zwischen den traditionellen Legacy-Systemen und den modernen Anforderungen an digitale Flexibilität und Kundennähe zu bewältigen. Dabei ist es entscheidend, die richtigen Investitionen in die IT-Infrastruktur zu tätigen, um ein digitales Ökosystem zu schaffen, das sowohl den Kundenwünschen als auch den regulatorischen Anforderungen gerecht wird. Die Bank-IT muss sich also einer tiefgreifenden Erneuerung unterziehen, die ihr den Weg in die digitale Zukunft ebnet und gleichzeitig die Stabilität und Sicherheit der bestehenden Systeme sicherstellt. Es bleibt eine enorme Herausforderung, die digitale Transformation mit einer effizienten und zukunftsorientierten Strategie umzusetzen.

 

Der ausführliche Fachbeitrag „Die Bank-IT: Digitale Evolution – Eine Retroperspektive“ von Werner Dorschel ist bei Springer Professional verfügbar.