Riocard mit erster IBM-Mainframe-Portierung zu Oracle Cloud

Der Anbieter Heirloom Computing beschreibt in einer aktuellen Fallstudie die Modernisierung des in COBOL programmierten, elektronischen Ticket- und Zahlungssystems von Riocard Tecnologia da Informação S.A., einem zentralen Mobilitätsdienstleister im Großraum Rio de Janeiro.

Riocard betreibt ein weit verbreitetes Zahlungssystem für den öffentlichen Nahverkehr, das physische Karten, QR-Code-Zahlungen und kontaktloses Bezahlen per Smartphone umfasst. Fahrgäste können damit verschiedene Verkehrsmittel nutzen – darunter auch den modernen VLT (Veículo Leve sobre Trilhos), der das Stadtzentrum von Rio erschließt.

Laut Heirloom war das bestehende Riocard-System technisch äußerst umfangreich: Es habe aus 383 COBOL-Programmen mit rund zwei Millionen Zeilen Code bestanden und 95 Terabyte Db2-Daten über 1.752 Tabellen verwaltet. Dieses monolithische IBM-Mainframe-System sei geschäftskritisch gewesen, da täglich rund sechs Millionen Transaktionen verarbeitet worden seien.

Der IT-Dienstleister bezeichnet die Migration dieses Systems als weltweit erste Ablösung eines IBM-Mainframes durch die Oracle Cloud Infrastructure (OCI). Die Modernisierung erfolgte nach Angaben von Heirloom auf Basis der firmeneigenen Plattform Heirloom/X. Diese soll den COBOL-Mainframe-Code automatisiert in Java überführt und zugleich eine Laufzeitumgebung bereitgestellt haben, die das Verhalten der Host-Anwendungen nachbildet. Riocard habe im Anschluss einen Teil des generierten Codes in eigenständiges, idiomatisches Java überführt, um langfristig unabhängiger von einzelnen Plattformen zu werden. Vendor-Unabhängigkeit sei ein erklärtes Ziel des Betreiberunternehmens gewesen.

Das technische Vorgehen wird in der Fallstudie als schrittweise Migration beschrieben. Dazu hätten ein Parallelbetrieb, eine synchrone Datenbankreplikation zwischen Mainframe und Cloud sowie der Transfer kryptografischer Schlüssel aus dem Mainframe-ICSF in Cloud-HSMs gehört. Eine weitere Herausforderung seien unterschiedliche SQL-Dialekte im Rahmen der knapp 1.800 Tabellen gewesen. Strenge Anforderungen an Ausfallsicherheit hätten die Migration zusätzlich geprägt – insbesondere vor saisonalen Lastspitzen wie dem Karneval in Rio, wenn das tägliche Transaktionsvolumen erheblich ansteigt.


Straßenbahn VLT Carioca in Rio de Janeiro, für die Tickets über Riocard gelöst werden können

Als Ergebnis nennt Heirloom eine Kostenreduktion um etwa 54 Prozent und eine Leistungssteigerung um rund 69 Prozent in zentralen Verarbeitungsschritten. Die neue Architektur ermögliche Riocard eine flexible Skalierung, ohne erneut in Mainframe-Kapazitäten investieren zu müssen. Zudem sei die operative Komplexität gesunken, da zuvor verteilte Serverstrukturen und lokale Rechenzentren durch eine konsolidierte Cloud-Plattform ersetzt worden seien.

Mit Blick auf künftige Entwicklungen im Ticketing- und Payment-Umfeld – etwa neue Bezahlformen wie den Digitalen Euro oder Wero – zeigt das Beispiel Riocard, wie wichtig flexible und API-fähige Architekturen bereits heute sind. Erste Praxistests im europäischen ÖPNV belegen, dass digitale Zentralbankwährungen technisch in moderne Ticketing-Plattformen integrierbar sind. Für Betreiber bedeutet das: Systeme, die erfolgreich von Legacy-Strukturen gelöst wurden, sind zugleich besser vorbereitet für kommende Zahlungstechnologien.