Interview mit Marcel Heß: #GenZOS – Die neue Generation am Mainframe

Mit #GenZOS beschreibt Marcel Heß eine neue Generation von IT-Fachkräften, die den Mainframe nicht nur bewahrt, sondern weiterentwickelt. Der erfahrene Anwendungsentwickler der Finanz Informatik begleitet Nachwuchstalente beim Einstieg in die Welt von z/OS – wo moderne Ideen auf jahrzehntelanges Know-how treffen. Im Gespräch erklärt er, wie Wissen, Neugier und Offenheit die Zukunft der Legacy IT prägen.

Herr Heß, Sie führen bei der Finanz Informatik Nachwuchskräfte in die Arbeit auf dem Mainframe ein. Wie reagieren die meisten, wenn sie zum ersten Mal mit dieser Umgebung in Kontakt kommen?

Typischerweise reagieren junge Kolleginnen und Kollegen beim ersten Blick auf den nativen Look der Terminalemulation mit einem verunsicherten Schmunzeln. Diese anfängliche Skepsis weicht aber schnell der Neugier: Dann kommen viele Fragen, etwa ob diese altmodisch anmutende Oberfläche überhaupt mit modernen Tools verbunden ist, ob es Foren für den Austausch gibt, eine Entwicklungsumgebung existiert oder warum man das Ganze nicht längst modernisiert hat.

Viele junge IT-Fachkräfte haben zunächst Berührungsängste mit Mainframe-Technologien. Warum lohnt es sich Ihrer Erfahrung nach trotzdem, sich auf dieses Umfeld einzulassen?

Der Mainframe ist ein sicheres und verlässliches Arbeitsumfeld, das sich zwar langsamer wandelt als andere Plattformen, aber dennoch ein spannendes und zukunftsorientiertes Berufsfeld bietet. Man erwirbt hier ein sehr spezielles Skillset, das im Alltag selten verbreitet ist – und genau das macht es so wertvoll. Denn am Ende des Tages sind es die Mainframe-Spezialisten, die in vielen Situationen dafür sorgen, dass Prozesse im Hintergrund reibungslos funktionieren. Das macht diese Technologien und das Know-how ihrer Experten so unverzichtbar.

In einem Ihrer LinkedIn-Posts schreiben Sie: „Wissen allein hält den Mainframe nicht am Leben – es braucht auch frische Ideen.“ Was bedeutet dieser Gedanke konkret für Ihre Arbeit?

In der Zusammenarbeit mit jungen Kolleginnen und Kollegen bedeutet das, stets über aktuelle Technologien und Entwicklungen informiert zu bleiben – sowohl in der Legacy IT als auch im übrigen IT-Umfeld. Die neuen Mitarbeitenden bringen sehr unterschiedliche Hintergründe mit: Einige kommen direkt von der Schule, andere aus dem Studium oder als Quereinsteiger. Diese Vielfalt ist eine große Chance. Wenn es gelingt, ihr modernes Wissen mit der Mainframe-Welt zu verknüpfen und ihnen zu zeigen, dass auch bewährte Systeme Wandel ermöglichen, entsteht etwas Neues.

So wird aus einem Nachwuchstalent ein Teil von #GenZOS – also jemand, der Legacy IT und moderne Technologien gleichermaßen versteht und in der Lage ist, ganzheitlich zu denken und Lösungen zu entwickeln.

Wie läuft die Ausbildung im Mainframe-Umfeld bei der Finanz Informatik konkret ab? Welche Ansätze haben sich bewährt, um den Einstieg lebendig zu gestalten – gerade in einer Welt, die oft von modernen Sprachen wie Java oder Python geprägt ist?

In der FI ist die Ausbildung zweigeteilt. Zum einen gibt es einen allgemeinen Teil, der zentral organisiert wird: Dort lernen die Auszubildenden die grundlegenden Prozesse der FI kennen und erwerben erste Programmierkenntnisse – meist am Beispiel von Java. Die fachliche Spezialisierung erfolgt dann in den einzelnen Organisationseinheiten. Hier übernehme ich die Betreuung und begleite die Auszubildenden auf ihrem Weg zu echten Mainframe-Profis.

Um den Einstieg lebendig zu gestalten, arbeite ich gern mit Beispielen aus dem Alltag – etwa aus dem Zahlungsverkehr. So wird greifbar, wie wichtig Legacy IT in unserem täglichen Leben ist. Ich baue Brücken zu modernen Architekturen und Sprachen, zeige Parallelen und Unterschiede auf. So lässt sich anschaulich vermitteln, warum der Mainframe noch immer eine zentrale Rolle spielt – und wo sich Modernisierungspotenziale ergeben.

Sie betonen, dass moderne Ansätze und Legacy IT sich nicht ausschließen müssen. An welchem Beispiel machen Sie das fest?

Auch in der Legacy IT halten neue Technologien Einzug – nur dauert es manchmal etwas länger, bis sie sich durchsetzen. So müssen Programmieraufgaben heute nicht mehr zwingend über eine klassische Emulation gelöst werden: Cobol etwa lässt sich inzwischen in modernen Entwicklungsumgebungen wie Visual Studio Code bearbeiten.

Darüber hinaus arbeitet IBM gemeinsam mit Finanzinstituten bereits an der Integration von Quantum Computing in Mainframe-Prozesse. Auch Technologien wie watsonx oder Kooperationen mit Anbietern wie Anthropic zeigen, dass generative KI künftig direkt auf dem Mainframe nutzbar sein kann. Und selbst dort, wo diese Tools noch nicht verfügbar sind, lässt sich mit Kreativität viel erreichen – ich verwende zum Beispiel Python, um Codepassagen zu generieren oder bestehende Programme zu überprüfen.

Im Vorgespräch haben Sie CICS als zentrales Verfahren im Echtzeitumfeld beschrieben. Welche Rolle spielt diese Technologie heute, insbesondere im Zusammenhang mit Instant Payments?

CICS ist ein Verarbeitungsmedium, bei dem die Transaktionalität im Mittelpunkt steht. Während auf dem Mainframe die meisten Anweisungen im sogenannten Batchverfahren gesammelt und anschließend verarbeitet werden – also asynchron –, läuft die Verarbeitung über CICS synchron ab. Jeder Task ist hier eine eigene Transaktion, die sofort ausgeführt wird und deren Ergebnis unmittelbar zurückgemeldet wird.

Ein gutes Beispiel ist der Zahlungsverkehr: Eine herkömmliche Überweisung wird asynchron verarbeitet – man weiß also nicht genau, wann sie ausgeführt wird.

Bei einer Echtzeitüberweisung hingegen erfolgt die Verarbeitung transaktional. Der gesamte Prozess wird synchron ausgeführt, sodass sofort klar ist, ob die Zahlung erfolgreich war. Das macht CICS auch Jahrzehnte nach seiner Einführung zu einer hochrelevanten Technologie – gerade dort, wo Stabilität und Echtzeit entscheidend sind.

Wenn Sie den Satz beenden müssten: „Legacy IT ist für mich …“ – wie würde Ihre Antwort lauten?

… das Fundament, auf dem die wichtigsten und systemkritischsten Prozesse laufen. Ein Fundament, das sich über Jahrzehnte bewährt hat und die Last vieler Systeme trägt – das aber regelmäßig neue Perspektiven braucht, um auch in Zukunft stabil und tragfähig zu bleiben.

Vielen Dank für das Gespräch! (td)

 

Kurzvita – Marcel Heß

Marcel Heß ist Anwendungsentwickler bei der Finanz Informatik GmbH & Co. KG (FI) und bringt über ein Jahrzehnt Erfahrung im Mainframe-Umfeld mit. Seine Leidenschaft gilt der Verbindung von tiefem Fachwissen und neuen Impulsen – er steht für eine junge Generation von Mainframern, die er unter dem Hashtag #GenZOS zusammenfasst.

Über die Finanz Informatik

Die Finanz Informatik mit Sitz in Frankfurt am Main ist der Digitalisierungspartner der Sparkassen- Finanzgruppe. Zu den Kunden des zentralen IT-Dienstleisters gehören 343 Sparkassen, fünf Landesbanken, die DekaBank, fünf Landesbausparkassen, öffentliche Versicherer sowie weitere Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe und der Finanzbranche. Ihr Gesamtbanksystem OSPlus ist die zentrale digitale Plattform der Sparkassen-Finanzgruppe, über die die Sparkassen und weite Teile des Verbundes ihre Vertriebs- und Servicekanäle zu rund 50 Millionen Kundinnen und Kunden betreiben und die kontinuierlich ausgebaut wird.

Die Finanz Informatik bietet einen kompletten IT-Service – von Anwendungsentwicklung über Infrastruktur- und Rechenzentrumsbetrieb bis hin zu Beratung, Schulung und Support.

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Die Finanz Informatik übernimmt den Service für rund 114 Millionen Bankkonten; auf den Rechnern und Systemen werden jährlich über 205 Milliarden technische Transaktionen durchgeführt. Das Unternehmen beschäftigte Ende 2024 rund 5.050 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gemeinsam mit den Tochterunternehmen hat die FI in 2024 einen Umsatz von 2,58 Mrd. Euro erzielt.