IBM: Banken kämpfen mit ihren Kernbankensystemen

Laut der neuen Studie „The 94 % Core Banking Problem“ des IBM Institute for Business Value stehen Banken weltweit bei der Modernisierung ihrer Kernbankensysteme vor erheblichen Schwierigkeiten. IBM hat dazu 700 CIOs und Technologieverantwortliche befragt und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: 94 Prozent der Modernisierungsvorhaben dauern länger als geplant, verursachen höhere Kosten und liefern oft geringere Effekte als erwartet.

Weniger als die Hälfte der Institute habe laut IBM tatsächlich spürbare Verbesserungen bei Effizienz, Kundenerlebnis oder Datenmanagement erzielt. Die Ursachen seien vielschichtig: von unterschätzten Abhängigkeiten innerhalb der monolithischen Legacy-Architekturen über mangelnde Cloud-Expertise bis hin zu unzureichender Governance. Viele Banken würden Modernisierung noch immer als reines IT-Projekt verstehen – statt als geschäftsstrategische Transformation, die Betriebsmodelle, Prozesse und Kultur gleichermaßen betrifft.

Besonders kritisch sieht IBM den verbreiteten Versuch, bestehende Kernsysteme nur technisch „anzuheben“ oder zu migrieren. Der Bericht warnt davor, dass Überindividualisierung, fehlende Standards und teure Cloud-Sonderlösungen langfristig neue technische Schulden schaffen. Erfolg verspreche vielmehr ein schrittweiser, modularer Ansatz mit hybriden Cloud-Modellen, klaren API-Schnittstellen und einer strengen Priorisierung geschäftskritischer Domänen.

Eine wachsende Rolle spielt laut Studie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, etwa um Abhängigkeiten im Anwendungssystem zu erkennen, Code-Strukturen zu vereinfachen oder Risiken in Echtzeit zu überwachen. Doch IBM betont, dass KI-gestützte Modernisierung ohne solide Risikosteuerung schnell zu neuen Schwachstellen führen könne. Die Kombination aus Vertrauen, Governance und technologischer Offenheit sei entscheidend, um alte Kernsysteme zukunftsfähig zu machen.

Die Studienergebnisse reihen sich in jüngste Analysen ein: So hatte Frank Schwab, Mitglied in Aufsichtsräten und Boards mehrerer Finanzinstitute und Mitbegründer des Frankfurter FinTech Forums, in einem Meinungsbeitrag darauf hingewiesen, dass viele Anbieter KI lediglich in bestehende Architekturen „einbauen“, statt Kernsysteme von Grund auf KI-nativ zu entwickeln. Und Nelson Wootton, CEO und Mitgründer des britischen Cloud-Banking-Anbieters SaaScada, mahnte, dass vermeintliche Cloud-Modernisierungen häufig nur an der Oberfläche stattfinden. In dem Zusammenhang warf Wooton den Systemanbietern Cloud-Washing vor. Beide Positionen spiegeln den Befund der IBM-Studie wider: Nur wer Modernisierung als strukturellen Wandel begreift, kann die Innovationspotenziale wirklich heben.

Die IBM-Studie führt diese Linie konsequent weiter: Sie macht deutlich, dass echte Transformation von Kernbankensystemen nur gelingt, wenn Banken den Spagat zwischen bewährter Stabilität und moderner Modularität meistern – und ihre Legacy IT nicht als Last, sondern als Ausgangspunkt für eine tragfähige Zukunft verstehen. (td)