DOGE vs. COBOL – was aus der US-Debatte wurde

In den USA sorgte die Diskussion um den Einsatz von COBOL in den Systemen der Social Security Administration (SSA) wochenlang für Schlagzeilen.

Schon im Frühjahr hatte das Department of Government Efficiency (DOGE) behauptet, veraltete COBOL-Strukturen führten zu massiven Fehlern in den Sozialdaten – darunter angeblich Tausende von Leistungsbeziehern im Alter von über 150 Jahren. Wie wir damals berichteten, beruhte dieser Befund wohl auf einem technischen Missverständnis in der Datenverarbeitung: Fehlende Geburtsdaten werden in älteren Systemen oft mit Platzhaltern wie dem Jahr 1875 ersetzt.

Auch der Versuch von DOGE, die Sozialsysteme in kurzer Zeit auf Java umzustellen, gilt inzwischen als gescheitert. Wie in unserem Beitrag Ende April dargelegt wurde, unterschätzte die Behörde die Komplexität und Stabilität der bestehenden COBOL-Infrastruktur erheblich – ein Problem, das vielen großen Organisationen mit Legacy-Systemen vertraut ist.

Juristische Auseinandersetzungen und politische Gegenwehr

Wie Brookings konstatiert, führte die aggressive Modernisierungsstrategie von DOGE folgend zu einer Reihe juristischer Auseinandersetzungen. Ein US-Gericht untersagte der Behörde zunächst den uneingeschränkten Zugriff auf SSA-Daten, bevor der Oberste Gerichtshof diesen unter Auflagen wieder zuließ. Parallel wandten sich mehrere US-Senatoren mit einem offenen Brief an die SSA-Spitze und warnten vor „massiven Risiken für die Leistungsgewährung“ durch überhastete Eingriffe in den COBOL-Code.

Zudem kam es zu Rücktritten im Management der Sozialbehörde. Die damalige kommissarische Leiterin Michelle King legte ihr Amt nieder, nachdem sie DOGE den Systemzugriff verweigert hatte. Auch ein von DOGE geplantes Aussetzen des Telefonservices für Leistungsbezieher wurde nach öffentlicher Kritik wieder rückgängig gemacht, notiert die Washington Post.

COBOL bleibt systemkritisch – neue Wege mit KI

Ungeachtet der politischen Turbulenzen bleibt COBOL im US-Sozialwesen unverzichtbar. Fachleute verweisen darauf, dass die Systeme zuverlässig laufen und die Kernprozesse der Leistungsabrechnung über Jahrzehnte stabilisiert haben. Die von DOGE geforderte kurzfristige Migration in moderne Sprachen sei hingegen technisch riskant, so zitiert CIO.com Branchenvertreter, die vor einem „Systemkollaps durch Übereifer“ warnen.

Statt auf radikale Umstellungen setzt die SSA inzwischen auf schrittweise Modernisierung: Mit KI-gestützten Verfahren sollen COBOL-Codes künftig analysiert und teilweise automatisiert in modernere Architekturen überführt werden – ein Ansatz, über den Bloomberg zuletzt berichtete.

Lehren für Europa

Auch in Europa stehen öffentliche Institutionen vor ähnlichen Fragen: Wie lässt sich jahrzehntealte, aber hochstabile IT in moderne Strukturen überführen, ohne Funktionsrisiken einzugehen? Viele deutsche Verwaltungen arbeiten ebenfalls auf Mainframe-Basis – oft mit COBOL- oder PL/I-Systemen, die tief in die Fachverfahren eingebettet sind. Experten betonen, dass ein abrupter Technologiewechsel in solchen Umgebungen auch hier zu Ausfällen und Vertrauensverlust führen könnte.

Die US-Debatte zeigt damit beispielhaft, dass Modernisierung nicht gegen Legacy, sondern mit ihr gedacht werden muss. KI-gestützte Werkzeuge können dabei helfen – aber nur, wenn sie auf einem Verständnis der bestehenden Architektur aufbauen. Für Finanz- und Sozialbehörden gilt das gleichermaßen: Wer die IT-Substanz bewahren will, muss ihre Sprache verstehen – und sie behutsam in die Zukunft übersetzen. (td)