Wie sichtbar der Bedarf an COBOL- und Mainframe-Kompetenzen ist, unterscheidet sich international deutlich. Eine Analyse des Branchenexperten Alain Stevens, veröffentlicht auf LinkedIn, legt nahe, dass diese Unterschiede weniger vom tatsächlichen Einsatz der Technologie abhängen als von lokalen Organisations- und Rekrutierungsmodellen.
In vielen Ländern würden Legacy-Aufgaben nicht mehr über klassische Einzelstellen abgebildet, sondern seien in interne Teams, langfristige Dienstleisterverträge oder internationale Delivery-Modelle eingebettet. Zudem taucht COBOL, so heißt es in der Analyse, häufig nur noch implizit in Rollenprofilen auf, etwa im Kontext von Modernisierungs- oder Integrationsprojekten.
Stevens verweist in diesem Zusammenhang auch auf regionale Muster. So seien COBOL- bzw. Mainframe-Kompetenzen im portugiesischsprachigen Raum vergleichsweise sichtbar – weniger wegen einer besonders hohen Systemdichte, sondern weil diese Regionen häufig als Service- und Delivery-Hubs fungieren.
Momentaufnahme des internationalen Arbeitsmarkts
Ein bewusst eng gefasster Blick auf aktuelle Stellenanzeigen macht diese Unterschiede zumindest ansatzweise greifbar. Grundlage ist eine Abfrage auf dem Jobportal Indeed, die ausschließlich Stellenanzeigen mit expliziter COBOL-Anforderung berücksichtigt, die innerhalb der vergangenen 14 Tage veröffentlicht wurden. Dabei zeigt sich ein stark heterogenes Bild: In den USA finden sich mehr als 100 entsprechende Ausschreibungen, in Japan sogar mehrere hundert – ein Aspekt, der mit dem in dem Land diskutierten „Digital Cliff 2025“ zusammenhängt, das im „Legacy IT Center“ kürzlich thematisiert wurde.
In Frankreich liegen die Zahlen mit mehr als 25 vakanten Stellen ebenfalls vergleichsweise hoch. Innerhalb Europas fällt die Sichtbarkeit in anderen Ländern deutlich geringer aus, etwa in Spanien (10), Italien (6), Deutschland (11) oder Großbritannien (3). Brasilien kommt im gleichen Zeitraum auf 17 Anzeigen und liegt damit deutlich über Portugal – ein Befund, der Stevens’ Hinweis auf den portugiesischsprachigen Raum als Delivery-orientierten Markt stützt. Die ermittelten Zahlen stellen jedoch keine statistisch belastbare Erhebung dar.
Der deutsche Markt: Sprache als entscheidender Faktor
Ergänzend lohnt sich ein Blick auf den deutschsprachigen Markt, der weitere strukturelle Besonderheiten aufweist. Hier spielt die Arbeitssprache Deutsch eine zentrale Rolle bei der Besetzung von Legacy-Rollen, insbesondere im Mainframe-Umfeld. Viele Aufgaben erfordern eine enge Abstimmung mit Fachbereichen und seit vielen Jahren bestehenden Teams, die überwiegend deutschsprachig arbeiten. Frühere Offshoring-Ansätze sind in der Praxis häufig gescheitert, weil notwendige Sprachkenntnisse und damit reibungslose Kommunikation nicht gewährleistet werden konnten. Lokale Verfügbarkeit und sprachliche Nähe haben sich daher als entscheidende Faktoren erwiesen, konstatiert Andreas Kleiner, Legacy IT Experte bei DPS, in einer Analyse. Diese Tatsache müssten auch externe Partner bei ihrem Staffing berücksichtigen.
In der Zusammenschau zeigt sich ein differenziertes Bild. Die Analyse von Stevens wird durch die internationale Momentaufnahme weder eindeutig bestätigt noch widerlegt. Vielmehr zeigen die Zahlen, dass Sichtbarkeit auf dem Arbeitsmarkt immer im nationalen Kontext gelesen werden muss. In Märkten wie Deutschland oder Frankreich bilden Stellenausschreibungen den tatsächlichen Bedarf an COBOL-Expertise relativ gut ab. In anderen Regionen hingegen bleibt dieser Bedarf hinter Dienstleister- und Delivery-Modellen verborgen. (td)


